Post aus Sachsen! Die Sonntagskolumne von Jörg Urban
Liebe Freunde, liebe Leser,
nun sind sie benannt, die Unions-Minister, die unter Führung des permanent wortbrüchigen Bald-Kanzlers Friedrich Merz Deutschland renovieren sollen. Das Ministerpersonal des Koalitionspartners SPD wird am kommenden Montag bekanntgegeben.
Mancher Zeitgenosse mag allein schon Hoffnung aus der Tatsache schöpfen, dass Faeser, Baerbock und Lauterbach raus aus der Regierung sind. Bei näherer Beschäftigung mit Lebensläufen oder mit früheren Äußerungen der Nachfolgeriege – wie z.B. über Corona-Maßnahmen, Ukraine-Krieg oder Meinungsfreiheit – dürfte diese Hoffnung allerdings schnell verfliegen.
Wie heisst es so treffend: Schlimmer geht immer.
Ja, der von der CDU zum Kulturstaatsminister berufene Verleger und Publizist Wolfgang Weimer gehört nicht zum linken Kulturbetrieb.
Er wurde 2018 vom Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp sogar zur „Leitfigur einer neuen Freiheitsbewegung des Wortes“ geadelt. Doch sein Amt hat wenig Einfluss. Er dient Merz als konservatives Feigenblatt und es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, wann er sich der Merz´schen Brandmauer-Rhetorik anpasst sowie frühere Aussagen relativiert.
Künftiges Regierungshandeln definiert der Koalitionsvertrag. Laut Markus Söder ein „kleiner Bestseller“. Für das Genre der Horrorliteratur mag das zutreffen.
Denn für den Journalisten Norbert Haering arbeitet die neue Regierung damit „intensiv an der Verwirklichung des Technokraten-Traums einer zentral gesteuerten Gesellschaft“. Der Mensch als Träger autonomer Entscheidungen werde „eliminiert“ und stattdessen zu einem „funktionierenden Rädchen in einer zentral gesteuerten Mega-Maschine gemacht.“
In diesem Zusammenhang steht auch die Ankündigung, das Verbreiten – aus Regierungssicht –„falscher“ Tatsachenbehauptungen und von „Hass und Hetze“ zu verhindern.
„Hass und Hetze“ – diese Floskel stand übrigens auch im „Heimtücke-Gesetz“ von 1934.
Diese Zensuraufgabe soll einer „staatsfernen Medienaufsicht“ wie etwa den Landesmedienanstalten zufallen.
(Übrigens: Wer es verpasst hat –mit „Meinungsfreiheit“ befasste sich meine Kolumne der vergangenen Woche.)
Es ist schon bemerkenswert:
Ein Staat, der seiner Verpflichtung, die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten, immer weniger nachkommt, schwingt sich auf, gegen „Feinde der Demokratie“ oder „Hass und Hetze“) vorzugehen.
Wohlgemerkt – ohne genau zu erklären, was das aus seiner Sicht aus.
Für mich jedenfalls wird ein Staat, der demokratische Rechte wie die Meinungsfreiheit einschränkt und der seine Bürger überwacht, selbst zum Feind der Demokratie.
Die tiefe Geringschätzung oder gar Missachtung der Freiheitsrechte des Bürgers ist Programm und offenbart sich auf Seite 56 des Koalitionsvertrages. Dort liest man:
„Jeder Bürger und jede Bürgerin erhält verpflichtend ein Bürgerkonto und eine digitale Identität.“
Damit steht die Tür zur Unfreiheit weit offen und der Einstieg in den Überwachungsstaat wird vollzogen.
Im verpflichtenden Bürgerkonto sollen den Regierungsbürokraten alle Informationen über alle zu verwaltenden, steuernden Bürger zukommen.
Ziel ist, dass die digitale Identität für alle Interaktionen zwischen Staat und privaten Unternehmen verwendet werden muss.
Das heißt im Klartext: Alle Informationen über das Tun eines jeden Bürgers finden sich unter dessen Bürgernummer beim Staat.
Aus Sicht des Chaos Computer Club (CCC) lassen CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag „alle Hemmungen fallen“. Er sei voller Überwachungsvorhaben auf den Gebieten der Telekommunikations-, Biometrie- und Autokennzeichendaten, von denen jeder Einzelne betroffen sein werde.
„Digital only“ oder „Ausschließlich digital“ bedeutet auch, dass bisher bekannten-Zugänge in der Kommunikation mit Behörden oder zur Inanspruchnahme staatlicher Leistungen nach und nach gekappt werden.
Die Bürger sollen gezwungen werden, diese Angelegenheiten ausschließlich digital zu erledigen. Informelle Selbstbestimmung, Privatsphäre, Datenschutz und das Recht auf ein analoges Leben werden auf der Strecke bleiben.
Anders dagegen in der Schweiz: Ende November führte eine Volksabstimmung im Kanton Neuenburg zu einer Verfassungsänderung.
Diese garantiert „Digitale Integrität“ – also Schutz vor missbräuchlicher Datenverarbeitung, ein Offline-Leben, Sicherheit im digitalen Raum und Zugang zu menschlichen Ansprechpartnern in der Verwaltung.
Stichwort Verwaltung:
In Deutschland wird die Verwirklichung von „Digital only“ unter dem Dach eines neuen Digitalministeriums angesiedelt. Wer dafür die Streichung anderer Ministerien oder wenigstens eines Ministeriums erwartet, tut dies vergeblich.
Zusätzliche hochbezahlte Beamte, zusätzliche in der Wirtschaft dringend gesuchte IT-Fachkräfte in der Verwaltung – das ist kein guter Auftakt zu versprochenen Bürokratieabbau und Verwaltungsmodernisierung.
Der designierte Digital-Minister – und bisherige Media-Markt- und Saturn-Managers Klaus Wildberger – war über viele Jahre auch Vizepräsident des Handelsverbandes Deutschland, wo er als Lobbyist auch die Interessen von Konzernen wie Aldi, Lidl und Amazon vertreten hat.
Auch bei ihm darf mal durchaus Zweifel haben, ob er in Zukunft die Datenschutzinteressen der Bundesbürger vertritt, oder doch eher die Interessen seiner bisherigen (und vielleicht auch zukünftigen) Arbeitgeber.
Liebe Leser,
der irische Dramatiker George Bernard Shaw (1856-1950) meinte einmal, „dass den Deutschen eine Besessenheit innewohne, jede Sache so weit zu treiben, bis eine böse daraus geworden ist.“
Leider scheint die kommende Bundesregierung genau diesen Weg einzuschlagen. Und es wird unsere Aufgabe als starke Opposition sein, das zu verhindern.
Bis nächsten Sonntag
Jörg Urban